Leseprobe Europäer aus "Unbequeme Filme"


Den Fotobildband “Europäer“ von Cartier-Bresson durchblätterte ich schon allein aus dem Grund neugierig, weil ich mich fragte, ob der weit gereiste Fotograf auch einige seiner Fotografien aus Rumänien darin vorstellen würde. Sein Foto der beiden Sammler Maria und Nicolae kannte ich bereits im Original, war aber vom Postkartenformat des Abzugs ziemlich überrascht. Die Sammler hatten die Umstände des Zustandekommens dieser Aufnahme ähnlich beschrieben, wie es mir in etwa auch mit ihnen widerfahren war. Am besten kein Foto von ihnen, sondern bitteschön von der Sammlung und bitte auch nicht in Alltagskleidung, sondern in “schöner Kleidung“. Cartier-Bresson hat sich genau wie ich durchgesetzt und sein Foto so geschossen, wie er es für richtig hielt, auch wenn es nicht Platz in seinem Buch “Europäer“ fand.
Geplant war dann eine Ausstellung in Bukarest, doch wie Nicolae mir erzählte, konnte er sich damals nicht mit Ceausescu über Ausstellungsdetails einigen. Ich glaube zwar, dass es dieses oder ein ähnliches Gespräch zwischen ihm und dem Diktator nie gegeben hat, aber dass Cartier-Bresson die Rahmenbedingungen nicht akzeptabel fand, leuchtet mir ein. Die Sammler hatte nur eins ihrer Fotos aus einer größeren Serie erreicht, die über Botschaftskanäle bis nach Bukarest gelangten. Während beide damals noch nicht vom berühmten Cartier-Bresson gehört hatten, war sein Wert anderen in Rumänien längst bekannt.

Im Buch auf Seite 129 dann die große Überraschung: Eine wunderbare Maramures-Fotografie des berühmten und von mir verehrten Henri Cartier-Bresson mitten im Bildband „Europäer“! Damit ist der Beweis erbracht: Rumänien, insbesondere die Maramures, gehört zu Europa. Es wird immer noch diskutiert, ob Rumänien reif genug ist, um zur europäischen Staatengemeinschaft zu gehören, aber für Cartier-Bresson schien es damals schon selbstverständlich zu sein.

Ich habe im Internet auf der Website der “Fondation Henri Cartier-Bresson“ noch weitere Maramures-Fotos von Cartier-Bresson entdeckt, die - wie von ihm nicht anders zu erwarten - seinen messerscharfen und im exakt richtigen Moment auslösenden Fotoblick unter Beweis stellen. Aber das für den Bildband ausgewählte Foto des hübschen Mädchens unter dem Regenschirm blieb eines der besten seiner Maramures-Fotografien, neben einem bekannter gewordenen Foto des sich auf einer Nachtfahrt im Zugabteil umarmenden Pärchens.

Was beim Liebespaar im Eisenbahnabteil nicht ohne Reize ist, aber doch längst klar, macht gerade das für meinen Film “Europäer“ ausgewählte Foto so interessant. Wer von den beiden neben dem hübschen Mädchen stehenden Personen würde bei ihr das große Los ziehen? Auf dem Foto schienen sich im Hintergrund bereits zwei ältere Frauen um den Preis der zukünftigen Braut zu streiten.

Diese scheinbar flüchtige Momentaufnahme erzählte etwas, das nur sehr gute Fotos auszeichnet: Eine kompositorisch geschickt angestoßene, aber beim Betrachter irgendwie unklar bleibende Geschichte, von der sich einfach nicht der Blick wenden ließ. Der fotografische Effekt wird noch verstärkt, weil alle Drei wie ertappt in die Kamera schauen. Das sie der Regen so nah aneinander gedrängt unter den Schirm brachte, wird dabei zur Nebensache.

Ich weiß nicht, wie es anderen beim Betrachten des Mädchens geht, aber mich interessierte brennend, wie die Geschichte ausgegangen sein würde. Der Titel des Fotos gab mir einen wichtigen Hinweis: Frühlingsfest in Hoteni, das Entstehungsjahr auch: 1975. Ihrem Aussehen nach müssten sie 2010, also 35 Jahre später, etwas über 50 Jahre alt sein und nach menschlichem Ermessen noch leben. Also machte ich mich mit einer Kopie des Fotos und meiner Kamera auf die Suche nach ihnen.
Das Glück kam mir wieder zur Hilfe, denn gerade war der Frühling in die Maramures eingezogen und das dazu passende traditionelle Fest würde in wenigen Wochen in Hoteni stattfinden. Allerdings musste ich davon ausgehen, dass die Jungen und das Mädchen nicht zwingend aus Hoteni stammen würden, da dieses Frühlingsfest für die Bauern der ganzen Umgebung, also mindestens aus 20 Dörfern, eine große Bedeutung besaß.

Auch wenn der Anhaltspunkt für eine erfolgreiche Suche nach den Dreien vielversprechend war, lag für mich bei diesem Film etwas Entscheidendes völlig anders: Ich konnte mir die Protagonisten nicht selbst aussuchen, denn sie waren bereits vor 35 Jahren “gefunden“ worden, als Cartier-Bresson sie zufällig fotografierte. Die Frage war, ob sie sich an die Situation und den ausländischen Fotografen erinnern würden, wenn ich ihnen das Foto vorhielt? Wie stark würden sie sich in der Zwischenzeit verändert haben, und das nicht nur äußerlich? In welchen Verhältnissen würden sie jetzt leben, möglicherweise gar nicht mehr in Maramures? Und könnte ich sie vielleicht nochmals auf dem Frühlingsfest zusammenbringen, wenn auch nur für einen kurzen Moment, wie auf dem Foto?

Nach einem Tag hatte ich das Mädchen vom Foto gefunden, im Prinzip nur über drei Kontakte mit Einheimischen. Natürlich begann ich nicht gleich in der näheren Umgebung zu fragen, ob jemand das abgebildete Mädchen kenne, dass inzwischen eine erwachsene Frau mit eigenen Kindern sein dürfte. Ich holte beim Suchen etwas Schwung, befragte Leute, die sie garantiert nicht kennen würden, die mir aber interessante Antworten geben könnten, wie beispielsweise ein älteres Lehrerehepaar. Ihre Analyse des Fotos fand ich sehr aufschlussreich, denn sie schauten sich die Trachten genauer an, also ihre Jacken, Hemden und Hüte, und kreisten die infrage kommenden Dörfer näher ein. Ein paar Dörfer weiter ließ sich eine eindeutig zu alte Frau nicht davon abbringen, es selbst sein zu wollen. Immer wieder beharrte sie darauf, das Mädchen auf dem Foto zu sein. Was sie sich davon versprach, blieb allerdings ihr Geheimnis.

Als erstes erfuhr ich den Namen des fraglichen Dorfes, dann den der Frau und noch eine mich gleich beunruhigende Nachricht: Ihr Mann soll bereits gestorben sein. Damit war ich immerhin vorgewarnt und wollte versuchen, nicht einfach so durch die Tür zu platzen. Im ausgewiesenen Dorf angekommen, brauchte ich nur noch eine ältere Frau zu befragen - einen Mann schloss ich aus Gründen des Anstands aus - die mich auch gleich zu ihr führte. In dieser Situation bewährten sich mein gut eingespieltes Konzept und meine Erfahrungen beim spontanen Filmen. Ich hatte aber auch keine Wahl, denn ich würde ja nicht ein zweites Mal mit dem Foto und der Kamera in der Hand auf diese Frau zugehen können. Dass meine Begleiterin sie von weitem vorbereitete, ließ sich nicht verhindern, störte aber nicht weiter, und mein Glück bestand darin, dass sie sich gerade bei einer Frühlingsarbeit im Garten befand. So konnte ich, wenn auch etwas außer Atem geraten, weil ich einen Hügel hochlaufen musste, den Überraschungsmoment mit der Kamera gut einfangen. Unglaublich aber die Wahrheit, sie besaß absolut keine Erinnerungen mehr an diese Szene. Weder an den Ort, noch an die beiden Jungs, geschweige denn an den Fotografen, zu dem sie ja auf dem Foto mit einem nur schwer zu beschreibenden Blick, dafür aber leichtem Lächeln hinüberschaut. Besser hätte ihre Reaktion nicht ausfallen können, denn sie wollte nicht glauben, was sie auf dem Foto sah. Immer wieder fragte sie mich, woher ich dieses sie beunruhigende Foto hätte und wer es gemacht habe.

Sie war auch schüchtern, und ich spürte eine tiefe Traurigkeit und Leere in ihrem Blick. Schnell stellte sich heraus, dass sie unter dem viel zu frühen Tod ihres Mannes litt, obwohl der Unfall schon zwei Jahre zurücklag. Ihr großer Sohn trug ebenfalls nicht zur Hebung der Stimmung bei und blieb die ganze Zeit während meines Aufenthalts im Bett vor dem Fernseher liegen. Es schien ganz klar, dass der Hausherr fehlte und niemand ihn lebendig machen konnte. Als ich sie nach den beiden Jungs unterm Regenschirm fragte, blieb sie nebulös. Sie wisse nichts und kenne niemanden. Zum Frühlingsfest wäre sie seit damals nicht mehr gegangen. Meiner Frage, ob sie für mich und meinen Film nochmals dorthin gehen würde, wich sie aus. Trotz der echten Wiedersehensfreude mit sich selbst und meinem Versuch, mit der alten Tracht, die sie tatsächlich noch besaß und für mich hervorkramte, so etwas wie schöne Erinnerungen in ihr zu wecken, spürte ich einen Stimmungsabfall. Als würde eine Kellertür offen stehen, aus der ein kalter Hauch bis in ihr Herz drang. Es ließ sich kaum ein Lächeln in ihr versteinertes, aber immer noch schönes Gesicht zaubern. Wenn man ihr unbefangenes und noch unverletztes Wesen auf dem Foto mit ihrem jetzigen tieftraurigen Gesichtsausdruck verglich, konnte man all die gescheiterten Träume und zerplatzen Hoffnungen darin wiederfinden. Vor nur 35 Jahren von zwei Männern umschwärmt, war ihr nur noch der Sohn geblieben. Mit dem Tod ihres Mannes wurde die Freude in ihrem Leben urplötzlich zerstört, denn sie betonte, wie glücklich sie mit ihm gewesen war.

Nach diesem Erlebnis, an das ich auch jetzt beim Schreiben wieder denken schweren Herzens muss, konnte ich nur hoffen, einen nicht vom Leben gebrochenen Mann vorzufinden. Ansonsten würde der Film zwar mit einer erfrischenden und teilweise skurrilen Suche beginnen, doch nur, um dann letztendlich traurig zu enden. Das durfte einfach nicht sein und würde bestimmt auch Cartier-Bresson nicht gefallen haben, der 2004 verstorben war.

Schon die Suche nach dem jungen Mann vom Foto gestaltete sich lustig. Den Menschen in der Maramures scheint es Spaß zu bereiten, sich gegenseitig zu suchen und mit alten Fotos zu überraschen. Zuerst traf ich die Ehefrau des auf dem Foto links vom Mädchen stehenden Jungen. Selten habe ich in der Maramures eine so temperamentvolle reife Frau kennengelernt. Ihr saß der Schalk förmlich im Nacken, und ihre witzige Art, über ihrem Mann auf dem Foto zu lachen, verriet viel über ihre Lebenserfahrungen mit Männern im Allgemeinen. Dass ihr ach so treuer Ehemann nun neben einer anderen zu sehen war, die auch noch alle rasch und kreischend herbeigeeilten Nachbarn zu kennen vorgaben, brachte sie erst recht in Stimmung. Als sie ihren Sohn rief, der seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten glich, und ihn mit mir nach dem “Alten“ schickte, erschien mir das wie ein gutes Omen. Ein alter Kumpel ahnte wohl, dass es spaßig werden würde, und so machten wir uns, wie immer mit laufender Kamera, zu dritt auf den Weg zum ahnungslosen Vater. Der wollte sich auch gleich vor uns verstecken, da ihm der Sohn im Spaß schon von weitem seine alten Weibergeschichten vorzuwerfen begann. Wohl deshalb fiel die Reaktion des Vaters auch genau wie zu erwarten aus: Er wisse von nichts und kenne niemanden. Auch nicht den Mann auf dem Foto, der angeblich er selbst sein solle. In diesem Zusammenhang erging es mir allerdings ähnlich, denn sein Körper- sowie Gesichtsumfang hatte sich fast verdoppelt. Natürlich war alles auch ein großer Spaß, denn lange konnte er sich nicht hinter dem Foto verstecken: Zu offensichtlich waren die übereinstimmenden physiognomische Merkmale mit dem Jungen auf dem Foto. Seinem alten Kumpel schien die harmlose Affäre mit dem Mädchen auch in Erinnerung geblieben zu sein. Doch er selbst konnte oder wollte sich nicht mehr an diese Situation erinnern. Weder daran, fotografiert worden zu sein, noch daran, jemals so kompromitierend nah mit dem Mädchen herumgestanden zu haben, obwohl auch er in den Fotoapparat blickte.

War Henri Cartier-Bresson so unsichtbar und unauffällig über die Welt spaziert? Besaß er die seltene Gabe, nur mit seinen Fotos Spuren zu hinterlassen, aber den Abgebildeten selbst nicht in Erinnerung zu bleiben. Dabei waren 1975 nicht gerade viele ausländische Fotografen über die Volksfeste der Maramures gezogen. Er musste den Einheimischen damals aufgefallen sein, zumal ihn, wie mir die Sammler erzählten, ein Dolmetscher und Fahrer begleiteten.
In der Theorie ist das Unsichtbarmachen des Fotografen eine Technik, die dem Ziel dient, die Personen oder Szenen vor der Kamera in ihrem natürlichen Verhalten und Ausdruck einzufangen, ohne das die Präsenz des Fotografen ihre Reaktionen beeinflusst. Cartier-Bresson besaß ganz klar dieses Geschick und auch ein gutes Gespür für die Umgebung, um aus dem Hintergrund heraus spontane Momente einzufangen und den richtigen Moment für die Aufnahme nicht zu verpassen. Anders kann ich mir den Gedächtnisverlust bei meinen Protagonisten nicht erklären. Ob auch ich so wenig Spuren in meinen Protagonisten hinterlassen werde?

Die Stimmung bei dieser Familie blieb feierlich. Vor allem seine korpulente Frau schien die Besonderheit der Situation zu überblicken und erklärte alles geduldig ihrem etwas begriffsstutzigen Mann. Leider war seine traditionelle Weste vom Foto bei einem großen Feuer im alten Holzhaus verbrannt. Umso wichtiger wurde nun das Foto selbst, das von nun an fast wie eine Reliquie verehrt wurde. Seine Frau betrachtete es als einen bedeutenden Teil seines Lebens, an den sich alle erinnern sollten, einschließlich des Sohnes. Der schien allerdings zu Hause hängengeblieben zu sein und den Absprung in ein eigenes Leben verpasst zu haben. Dabei ähnelte er dem Mann auf dem Foto so sehr, dass man das Foto ohne weiteres mit ihm hätte nachstellen können. Irgendwie schien er vom früheren Balzverhalten seines Vaters beeindruckt zu sein.

Diese Familie war ein Volltreffer, und ich bin Cartier-Bresson geradezu dankbar, dass er mir diesen beeindruckenden Kontakt vermittelt hat. So brauchte ich nur das anstehende Frühlingsfest anzusprechen, um eine begeisterte Zusage für ihre Teilnahme zu erhalten. Zwar wurde noch vorsichtig nachgefragt, ob seine “Exfreundin“ auch dabei sein würde, doch meine Andeutungen über ihre tragischen Lebensumstände wirkten beruhigend auf alle. Überraschend zeigte sich, dass ihnen diese Frau nicht ganz unbekannt war, obwohl sie in einem Nachbardorf lebte. Sie hätten damals vom tragischen Tod ihres Mannes erfahren, was ihnen sehr leid täte.

Dieser Film funktionierte - wie man so schön sagt - von Anfang bis Ende, denn das Frühlingsfest geriet zu einem echten Höhepunkt im Film. Genau wie damals, vor 35 Jahren, regnete es in Strömen. Trotzdem waren unzählige Bauern zusammengekommen und es wurde trotz Pfützen auf der improvisierten Bühne getanzt und gesungen. Neben der Bühne glaubte ein älterer Mann, mich darauf aufmerksam machen zu müssen, nicht immer nur die unbequemen Seiten des Lebens in Maramures zu filmen, sondern auch das Schöne zu zeigen. Er bezog sich auf meinen Film “Mehr oder weniger“, den er - wo auch immer - gesehen zu haben vorgab. Ich bedankte mich für den Tipp und versuchte freundlich ihn darauf aufmerksam zu machen, dass ich gerade das in seinen Augen Schöne filmen würde.

Meine neu gewonnenen Freunde feierten mit weiteren Kumpels in einer ausgelassen Runde unter einem improvisierten Bierzelt. Eigentlich hätte jetzt nur noch der weltberühmte Fotograf um die Ecke biegen müssen. Es gab auch 2010 genug hübsche Mädchen, die zusammen mit jungen Männern unter bunten Regenschirmen standen. Ich konnte in Umkehrung des Fotos von Cartier-Bresson einen wahren Glückspilz filmen, der in Umkehrung der von Cartier-Bresson eingefangenen Szene gleich von zwei Mädchen unter einem Schirm umarmt wurde, die ihn anzuhimmeln schienen.
Anfangs vermisste ich noch die Frau meines rundlichen Protagonisten, die mir als Garant für eine gute Stimmung notwendig erschien. Doch als würde sie zu Hause ihrem Mann den Mund verbieten, erlebte ich ihn auf diesem Fest als einen völlig anderen und zu Späßen aufgelegten Mann. Auch sein Sohn schien sich hier in seinem eigentlichen Element zu befinden. Nach drei Runden Bier und vielen guten Filmaufnahmen tauchte plötzlich ein angetrunkener Spaßverderber an unserem Tisch auf. Der glaubte, ausgerechnet mit mir eine alte Rechnung begleichen zu müssen, von der ich aber nichts wusste. Ich hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen. Vielleicht störte es ihn, dass ich filmte und er sich von mir beobachtet fühlte. Er trug so etwas wie eine paramilitärische Uniform, und es hätte nur noch gefehlt, dass er eine Pistole zücken würde. Glücklicherweise konnte ich mich auf meine Freunde verlassen, die ihn gekonnt in die Schranken wiesen. Wie nachdrücklich sie es taten und wie geistesgegenwärtig ich diese Szene trotz weicher Knie filmte, zeigte sich später und deutlich entspannter beim Filmschnitt. Der Krakeler hatte nicht den Hauch einer Chance. Spätestens als er ankündigte, vor versammelter Mannschaft seine Armeehosen runterziehen zu wollen um sein Weichteil herauszuholen, reichte es meinem Protagonisten und seinen Kumpels. Energisch und zum Glück nur verbal wurde ihm deutlich gemacht, dass er sie und alle anderen bei diesem Fest beschämen würde und sie ihm nahelegen würden, sich schleunigst zu entfernen. Ich wäre ihr Freund, der hier tun und filmen könne, was ihm beliebe und unter ihrem Schutz stünde. Nach dieser klaren Ansage trollte sich der Uniformierte, und alles konnte ein gutes Ende nehmen.

Für den Filmschluss habe ich dann noch etwas Irritierendes aus dem Ärmel geschüttelt. Eine ältere Frau, allem Anschein nach religiös gestimmt, begann wie eine Bänkelsängerin unaufgefordert eine düstere Moritat in meine Filmkamera zu sprechen. Ihre minutenlang aus dem Gedächtnis vorgetragene Ballade besaß melancholische Züge, die von ihrem monotonen Sprechgesang noch zusätzlich unterstrichen wurden. Sie wollte wohl mit meiner medialen Unterstützung eine Warnung in die Welt senden und die Menschheit mahnen, elementare Themen des menschlichen Zusammenlebens wie Liebe, Tod, Verlust oder Schuld als gottgewollt zu begreifen.