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Essen
Eine kulinarische Rundreise durch die Maramures ist nur denkbar, wenn man genügend Freunde und Bekannte hat, die bestenfalls noch über ein weites Gebiet verstreut leben. Selbst mittlerweile gut zehn Jahre nach dem Tyrannensturz ist es nicht ratsam, einfach ein Restaurant anzusteuern, und sich der dortigen Küche anzuvertrauen. Es gibt zwar immer wieder überraschende Ausnahmen, doch Berichte von kulinarischen Erlebnissen in einem Restaurant der Maramures sind tatsächlich noch eine Rundfunknachricht wert.
Es ist ein Vorteil des Nachteils, daß sich kulinarische Entdeckungen nur privat machen lassen. "Bei Mutti schmeckts am Besten" - diese Lebenserfahrung hat hier noch uneingeschränkte Gültigkeit. Und zu 99% ist es auch "Mutti", die kocht, denn "Papi" läßt sich traditionell nicht am Herd blicken.
Je nach Talent der Hausfrau sind ihre Gerichte, wenn auch einfach, so doch äußerst schmackhaft gewürzt. An erster Stelle sind die Suppen zu nennen. Hier steht die maramureser Kochkunst in voller Blüte, gibt es eine große Auswahl unterschiedlicher Geschmacksrichtungen. Suppen -ciorba genannt - schmecken besonders im Sommer ausgezeichnet, da hier die unterschiedlichen Saisongemüse Raum erhalten, ihr Aroma zu entfalten.
Während ich diese Zeilen schreibe, läuft mir buchstäblich das Wasser im Mund zusammen, obwohl ich über eintausend Kilometer Luftlinie entfernt von einem maramureser Kochherd sitze! Ciorba taraneasca, ciorba de perisioare, ciorba de burta, ciorba de varza cu ciolane afumate, ciorba de vacuta, ciorba de fasole, de legume, de ... endlos läßt sich hier die Aufzählung fortführen. Die Suppen sind phänomenal! Eine landestypische Essenfolge beginnt aber noch vor der Suppe mit dem sogenannten aperitiv - einem lustig garnierten Teller mit salam de vara, (Salami) chiftele (Bouletten), cascaval (Käse) und ein paar Oliven oder eingelegten Gurken, Paprika bzw.Tomaten dazu. Zu feierlichen Anlässen ist auch noch ein Salat (salat de beuf) bereitet, bei dem - wen wundert´s - die Mayonnaise selbst mit einem Holzlöffel geschlagen wird!
Darauf wird die ciorba (Suppe) gegessen, immer mit ein paar Scheiben Brot dazu, smintina (Sahne) und, je nach Art der Suppe, einer kleinen wie scharfen peperoni dem Teller beiliegend. Die Suppen dampfen einem aus großen Schüsseln entgegen, und es ist nicht Ungewöhnliches dabei, sich den Teller mit zwei oder drei Nachschlägen füllen zu lassen. Dazwischen trinkt man immer wieder ein gutes Schlückchen Tuica, und - ich vergaß es zu sagen - bevor überhaupt mit dem Essen begonnen werden kann, muß ebenfalls mit einem Tuica angestoßen werden. Wer mehr Flüssigkeiten zum Essen braucht, erhält ein Mineralwasser, das borcut , oftmals aus der Quelle hinter dem Haus geschöpft.
Wenn es dann zum Hauptgericht kommt, sind viele der Ungeduldigen meistens schon satt, doch auch sie werden ihren Teller erfahrungsgemäß schaffen. Dann gibt es meistens Schweinefleisch - ein Prachtexemplar ist oben zu begutachten - mit saftiger, stark gemüsehaltiger Soße. Und natürlich ist ordentlich Knoblauch im Essen, ohne Knoblauch kann es einfach nicht schmecken! Das beschriebene Essen nennt sich tocanita, ist das Fleisch auf dem Grill gegrillt worden, heißt es friptura. Bei der gegrillten Variante ist der Salat frisch und setzt sich aus Saisongemüse zusammen. Wenn es zum Hauptgericht samale gibt, ist der absolute Höhepunkt erreicht, denn diese kleinen Krautröllchen sind die Spezialität der Maramures. Gewöhnlich hat jede Hausfrau ein großes Holzfaß mit eingesäuerten Kohlköpfen in ihrer Speisekammer zu stehen. Sind die Blätter ordentlich durchsäuert und somit biegsam geworden, ist mit etwas Geschick aus ihnen eine kleine Krautroullade zu formen. Die Füllung besteht aus Hackfleisch und Reis, gebratener Zwiebel und Petersilie. Diese Spezialität wird oftmals in kollektiver Küchenarbeit geschaffen, d.h. die Nachbarin beteiligt sich an der Arbeit und - logisch - auch am Ertrag. Denn es lohnt sich, die samale in großer Auflage zu "produzieren". Nach ein paar Stunden erfahren dann alle Beteiligten, daß sich wieder zweihundert Stück samale im Topf versammelt haben. Das klingt in unseren Ohren vielleicht nach Übertreibung, ist aber meistens genau auf den Bedarf zugeschnitten.
In fleischärmeren Zeiten geht es in der Maramures nicht weniger schmackhaft zu. Dann gibt es die berühmte mamaliguta (Maisbrei). Dieses Essen mag vielen vielleicht aus alten Märchen als Strafessen ungezogener Kinder bekannt sein, und deshalb weniger einen kulinarischen Klang besitzen. Doch dieser Irrtum läßt sich relativ schnell beseitigen. Grundvoraussetzung dazu ist es allerdings, in gutbäuerliche Verhältnisse zu geraten. Wer einer Familie begegnet, die eigene Schafe besitzt, und gesalzenes Schweinespeck in den Vorratskammern zu hängen hat, wird von mamaliga nur Gutes zu berichten haben. Denn wichtig ist es, neben ausgesuchtem, bestenfalls selbstgemahlenem (und deshalb etwas gröberem) Maismehl auch diese Zutaten zu besitzen. Perfekt wird der Maisbrei, wenn er auf einem Holzfeuerherd in typischen Aluminiumgußtöpfen (hier backt der Maisbrei nicht so schnell an) bereitet wird.
Zuerst wird das Wasser zum Kochen gebracht, dann unter ständigem und kräftezehrendem Rühren darin das Maismehl zum Quellen gebracht. Der in einen Teller gestürzte Maisbrei wird schichtweise in einem neuen Topf aufbereitet. Die einzelnen Maisbreischichten werden deshalb vorher mit Schichten gebratenen Speck und Schafskäse (brinza) unterbrochen. Oben und als krönenden Abschluß gießt man über den Maisbrei etwas smintina (Schmand), und schiebt den Topf nochmals in einen vorgeheizten Herd. Wer dieses bäuerliche Gericht noch dazu hungrig serviert bekommt, wird von Maisbrei in anderen Tönen sprechen als vor diesem denkwürdigen Tag. |
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