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"BROTZEIT"

DVD-Coverumschlag
"Brotzeitl"
Wo eine Kirche untergeht, dort muss doch neuer Glauben auftauchen...
Wie viele Gebete werden in dieser fast wie verflucht scheinenden Kirche gesprochen worden sein? Und doch konnte sich mit Gottes Hilfe das Schicksal des Dorfes Geamana nicht abwenden lassen.

Der Untergang Geamanas wurde Anfang der 80iger Jahren, mitten in der Ceausescu-Zeit besiegelt. Eine Kupfermine, es heißt die größte Europas, musste für den Fortschritt und eine wie besessen betriebene Modernisierung des damals schon maroden Landes erschlossen werden. Nach der Devise "koste es, was es wolle" wurden tausende Bäume gefällt und fanden tausende Arbeiter eine für damalige Verhältnisse gut bezahlte Arbeit. Bergarbeiter genossen im Kommunismus wertvolle Privilegien, erhielten beispielsweise höhere Brot- und Essenrationen und man sorgte sich sogar um ihr kulturelles Wohlergehen. Man kann viele nach dieser Zeit befragen, die sie nicht selten in ein verklärendes Licht stellen werden.

Die Kupfermine befindet sich in unmittelbarer Nähe zu Rosia Montana. Wendet man den Blick von diesem Standort etwas rückwärts nach rechts, kann man schon die Gruben von Rosia Montana sehen.

Es liegt eine Menge politischer Zündstoff in der Luft, weshalb es oben am Loch vor lauter Sicherheitsbeamten wimmelt. Betriebsschutzbrigaden und anderen zwielichtige Aufpasser fangen Neugierige weit vor dem Loch ausnahmslos ab. Es war nicht einfach gewesen, diese Aufnahme vom Monsterloch zu drehen.
Inzwischen wird am Loch selbst weniger gearbeitet, doch die aufgeheizte Stimmung in und um Rosia Montana schwabt bis zur Kupfermine rüber. Früher arbeitete man hier in drei Schichten. Täglich fuhren 3 Dutzend Busse die Arbeiter zum Loch, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr.

Die Natur hat Schaden genommen und die Gesundheit der Bewohner ebenso. Es gibt unzählige und meist traurige Geschichten aus der Zeit der Flutung des Tals von Geamana. Das Dorf ist nicht in kurzer Zeit untergegangen, es hat Jahrzehnte gedauert und der Klärschlammsee wächst weiter an. Gerade letztes Jahr wurde die Staumauer um weitere Meter erhöht.

Eine zentrale Figur des Films hat, wie fast alle Bewohner Geamanas, bereits in der Ceausescu-Zeit eine finanzielle Entschädigung erhalten. Ihr altes Haus steht noch und ist bis heute nicht ganz im Klärschlamm untergegangen. Doch der Geruch des sich in unmittelbarer Hausnähe befindlichen Klärschlamms ist nicht zu ertragen. Wie schädlich er für die Gesundheit ist, wurde den Bewohnern nie wirklich erklärt. Als die Stromversorgung ihres Haus zusammenbrach, musste sie in ein höher gelegenes und zur Miete freistehendes Haus umziehen.

Dort befinden sich ihre Haustiere, ein schlachtreifes Schwein und vier Milchkühe. Weil sie für ihre Kühe Subventionen bekommt, kann sie sich erst im Frühjahr von der Last der anstehenden Arbeiten befreien. Ihre Rente beträgt nur monatlich 70 Euro, weshalb sie gezwungen ist, weiter mit Tieren zu arbeiten.

Da es in Geamana kein einziges Lebensmittelgeschäft gibt, müssen sich die wenigen noch dort lebenden Bewohner mühsam und auf Wochen im voraus mit Grundnahrungsmittel und Tierfutter eindecken. So wird es einmal im Monat notwendig, eigenes Brot zu backen.

Das Rezept für einen guten Brotteig ist denkbar einfach. Mehl, Wasser und Hefe, etwas Salz, fertig. Auf die richtige Mischung und gute Hefe kommt es an. Der alte Trog fasst Teig für etwas mehr als 10 Brote. Im Winter muss diese Arbeit in Ofennähe verrichtet werden, ansonsten geht der Hefeteig nicht auf.

Das Brotbacken an sich ist eine traditionelle Arbeit, doch wie fast alle dieser alten und überlieferten Arbeiten werden sie kaum noch ausgeübt. Die vielen Handgriffe sind zu mühsam und aufwendig und noch ein Problem: Wer soll 10 kiloschwere Brote essen?

Es ist also eine glückliche Fügung gewesen, mitanzusehen, wie noch in einem Backofen das gute alte Hausbrot gebacken wird. Einen ganzen Tag lang stehen unzählige Handgriffe an. Nicht nur die große Teigmasse sollte gut durchknetet werden, auch der Ofen muss zum richtigen Zeitpunkt angeheizt und die Brote in der für den Ofen richtigen Größe geformt und in den perfekt dafür temperierten Backraum geschoben werden.

Jedes Brot ist individuell geformt und wird an einen wie vorbestimmt scheinenden Platz im Ofen manövriert. Dabei schlägt der Bäckerin große Hitze aus dem Ofenloch entgegen.

Es gibt abgelegene Gegenden im Apuseni-Gebirge, die, wenn überhaupt nur einmal in der Woche mit industriell gebackenen Brot beliefert werden.

Wenn man diesen Tag verpasst, muss man auf Mais- oder Kartoffelbrei umsteigen... oder man bleibt unabhängig und kann sich in einem eigenen Backofen sein Brot backen. Einmal abgesehen, dass Hausbrot besser schmeckt und etwas billiger in der Herstellung ist. Aber nicht Jeder hat diese Möglichkeit und so sind im Film zwei ältere Frauen zu erleben, die sich sehr über das gebackene Brot freuen, dass ich ihnen mitgebracht habe.

Die Mozenkultur muss leider als bereits untergegangen eingestuft werden. Schon in den siebziger Jahren begann der Exodus und eine stark einsetzende Abwanderung, von der sich die Motzen nicht mehr erholen werden. Es war einfach zu schwer, sich und seiner Familie eine Zukunft in den abgelegenen Bergen aufzubauen. Die Industrialisierung und die steigenden Chancen von Beschäftigung ließen die jungen Menschen ein neues Leben in den Städten beginnen.
Ein kurzer Blick zur Uhr und das Brot kann aus dem Ofen geholt werden. Die tiefere Bedeutung von Zeit und Raum wird in der Szene links deutlich. Eine Spiegelung des Mittagsmal in der Wanduhr bei einerseits gnadenlos ablaufender Zeit und trotzdem einem sich einstellende Gefühl, die Zeit als stehengeblieben erleben zu müssen.
Die wenigen alten Männer, die noch in den Bergen urückgeblieben sind, haben sich mit dem Alkohol arrangiert. Die kleine Rente oder soziale Unterstützung wird dann schnell zum Trostpflaster und Vergessenstrunk zweckentfremdet. Während einige wenige unbeirrt weiterarbeiten, haben sich eine immer größere Menge Männer dem Alkohol ergeben. Es gibt nicht mehr viel zu tun, und wenn man sich auf ein Minimum an Lebensqualität eingestellt hat, vergeht die Zeit unter Alkoholeinfluss auch deutlich schneller.
Aber es gibt noch ein paar alte Menschen, die sich treu geblieben sind. Dieser Mann zieht täglich mit dem Ochsenfuhrwerk los, um sich aus einem nahegelegenen Waldstück Brennholz zu holen. Sein uriges Fuhrwerk und sein eigenes, ans Mittelalter erinnernde Aussehen, bescheerten mir einen stimmigen Dreh. Was mit einem kleinen Schnaps zum Arbeitsbeginn begann, endete nach vollbrachter Arbeit mit einer von seiner Frau bereiteten Salatsuppe. Der Nährgehalt kann nicht besonders groß gewesen sein, aber für diesen drahtigen Mann war noch genug Energie zum Kraftschöpfen enthalten.
Es hat sich Desillusion breit gemacht. Doch wenn man ein wenig in die Schicksale hineinhört, kann man fast selbst daran verzweifeln, was diese Menschen in ihrem Leben an Enttäuschungen hinnehmen mussten. Dieser Mann bekam wie alle eine Abfindung für den Hof, mit der er sich damals einen halben Dacia hätte kaufen können. Was sollte er damit, also legte er es sich zur Seite und wirtschaftete mit seinen Kühen weiter. Alles in der Hoffnung, vielleicht später an einem anderen Ort neu zu beginnen. Niemand konnte ihm sagen, wann genau sein Haus absaufen würde. Dann kam die Revolution und - wie er sich ausdrückte - machte Iliescu sein Geld kaputt. Alles hat er verloren und muss nun täglich mit ansehen, wie der See sein Haus verschlingt. Die Prophezeiung hat sich erfüllt... was kann man machen?
Die Hoffnung stirbt zuletzt sagt dieser interessante Volkskünstler. Er hat jede Aufmerksamkeit verdient, denn sein weit und breit einmaliges Talent, komplizierte Objekte in Schnapsflaschen zu montieren, hat mich auf ihn aufmerksam werden lassen. Wie sich herausstellte, ist er der Chronist der Motzenkultur im allgemeinen und Geamanas im speziellen. Er hat den Untergang des Dorfes selbst erlebt, hat ihn für die Nachwelt dokumentiert ist auch heute noch ein beredter Zeitzeuge.
Ein Film von Björn Reinhardt hat auch immer - neben aller Traurigkeit - komische Momente. Wie nebenbei kommt diese Frau auf ein sich für sie als Wunder darstellendes Phänomen zu sprechen. Ihre Kinder haben ihr wohl zum Zeitvertreib einen kleinen Mp3-player geschenkt. Nun hält sie dieses winzige Gerät in ihren Händen und kann einfach nicht verstehen, wie all die schönen Dinge dort Platz finden? Am wenigsten kann sie verstehen, wie neben einem Radio, religiösen Gesängen und Predigten auch noch die gesamte Bibel dort hat Platz finden können.
Interviewpassagen aus dem Film:

Die Ewigkeit hat kein Ende.
Und jetzt hängt es davon ab...
wie der Mensch sich in diesem Leben
entscheidet, zu gewinnen.
Entweder die glückliche Ewigkeit,
der die teufliche.

Ich habe schlimme Erinnerungen an meine Kindheit.
Wäre ich besser nicht in diese Welt geboren.
Keiner im Dorf hatte es so schwer.
Nur so viel, mehr erzähle ich nicht.

Ich bleibe ein Optimist, weil...
uns die letzte Hoffnung bleibt.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Es gibt den Spruch..."Hab Mut Huhn, gleich
köpfe ich dich." So ist es mit uns.