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Haben immer so Spott trieben (Gespräch von Claus Stephani mit Maria Schmidt)
... ich weiß noch wie es war mit den Juden hier. Ich weiß es waren sehr viele Juden in Wischau. Man kann sagen es waren so viele Juden wie Deutsche.
Hattet ihr jüdische Nachbarn?
Hier in der Sägegasse haben keine Juden gewohnt, hier waren nur Deutsche, Heckmann, Faltitschka, Hagel ... und wie sie alle geheißen haben. Juden waren drüben, in der Graden Gaß, da war der Tulli Federweiß, was hatte das Peisl Am Pergl, ja, da waren noch andere Juden, die haben gewohnt gleich neben den Zipsern. Ich kann mich aber noch gut erinnern an die Juden, ich weiß, wie die waren ...
Wie waren sie?
Jo, sie waren nicht so wie wir, sie waren etwas anders, sie waren ... andersartig ...
... Na sie haben sich anders gekleidet. Ich mein nicht die Frauen, nur die alten Männer, die hatten so lange Mäntel - mir haben gesagt: Kaftan -, und dann die Peikles bei den Kindern, aber auch bei den Alten. Nur die Juden haben getragen die Peikles. Bei den Frauen hast du nicht gleich können wissen, ob sie ist eine Jüdin, eine Madjarin oder eine Deutsche. Die Rußnakinnen und die Romäninnen sind ja immer gegangen in ihrer Kleidung, so wie heut, also die erkennt man gleich.
Waren sie auch sonst anders als ihr?
Sonst? Ich weiß? Eigentlich waren sie nicht anders als wir ... Ja, sie haben nicht gegessen Fleisch vom Schwein, auch nicht Bratwurst. Er hat gegessen Fisch. Und dann am Samstag war bei ihnen Sonntag, dann sind sie gegangen in den Tempel, was hat gestanden in der Grußn Gaß. Gleich daneben war ja die Judengaß, und auch in den anderen Gassen haben nur Juden gewohnt. Am Samstag waren beim Tempel manchmal so über tausend Menschen ...
...Es sind einige von unsren Buben - na, was soll ich sagen? Holzfällerbuben: groß, stark aber wenig im Kopf - einige sind gegangen zur SS. Das war aber noch vor dem Frühjahr ´43, wann sind dann sehr viele gegangen. Einige sind zur SS, und wie die sind zurückgekommen auf Urlaub, hat man können glauben, sie sind ganz große Herren, so sind die umatumgangen im Dorf. (gemeint ist Oberwischau) Dann haben sie geprügelt die jüdischen Kinder auf der Gassen, haben ihnen abgeschnitten die Peikles, die Locken, haben immer so Spott getrieben.
Und hat niemand etwas gesagt, wenn die SS-Buben jüdische Kinder prügelten?
Nicht nur Kinder, auch Leut, auch Männer.
... Unsere Leut waren ja alle auf Arbeit: am Feld oder oben im Wald (gemeint ist der Holzeinschlag im Wassertal) ... Es war ja niemand da, was hat können reden mit denen von der SS.
Und hat es nie einen Konflikt, ich mein a Priegelei, gegeben zwischen diesen SS-Buben und den anderen Zipsern?
War einmal so was. Hatte der alte Kraftschik-Batschi gesagt, sie sollen die Judenkinder in Ruh lassen. Und dann haben sie auch ihn so droschen, daß ist er nach Haus gegangen, hat sich müssen legen ins Bett. Wie am Samstag seine Söhne, was waren oben in Wasser, sindzahaus kommen, haben sie gehört, was ihr Vater hat patzit (rum. hereingefallen). Hat er gehabt drei Söhne, sind sie gleich zu einem SS-Mann, war es der Sohn vom Schkurka, was hat drüben gewohnt in der Weidengaß, haben sie ihn so zammschlagn, daß ist nachher kommen der Tschender (Gendarm) und hat sie alle drei eingesperrt für eine Woche. Der andere SS-Mann war schon wegfahren, den habens nicht erwischt. Aber der, was sie haben zammschlagn, hat nachher gesagt: Wann i wiedr kumm, schieß i alli, was heißn Kraftschk, tot! Nach vier Tagen ist er wieder fortfahren auf die Front.
Ist er wiedergekommen?
Ist er nicht wiedergekommen, weil ist er selber derschossen worden an der Front. So hab ich gehört. Ob ist wahr, ich weiß es nicht.
Text aus "War einer Hersch, Fuhrmann. Leben und Leiden der Juden in Oberwischau, Erinnerungsgespräche" von Claus Stephani
Verlag Anton Hain GmbH Meisenheim, Frankfurt a.M., 1991 |
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