"Unbequeme Schönheiten"
Ein neues Buch von Björn Reinhardt

Veröffentlicht am 16. Juli 2021 in der "Hermannstädter Zeitung"

Björn Reinhardt ist ein 1963 in Berlin/Weißensee geborener deutscher Regisseur, Fotograf und Schriftsteller. Von 1990 an arbeitete der studierte Bühnen- und Kostümbildner für etwa 10 Jahre als Bühnenbildner an verschiedenen Theatern und Opernhäuser, so steht es zu lesen bei Wikipedia. Was hat das alles mit seiner im April 2021 vorgelegten Autobiographie „Unbequeme Schönheiten" zu tun?
Eine ganze Menge! Das ,„Bühnenbild" seines Romans bieten die grandiosen Landschaften und die Vielfältigkeit der Menschen in Rumänien.
„Unbequeme Schönheiten" ist ein Roman von Björn Reinhardt, in dem man seine Begeisterung und seine Liebe zu Rumänien, aber auch das Erstaunen über die Andersartigkeit Rumäniens spürt.
In einem Interview, das er der Hermannstädter Zeitung (erschienen in der Ausgabe Nr. 2623 vom 10. Mai 2019 unter dem Titel "Aufhören stand nie zur Debatte") gewährt hat, drückte er Andersartigkeit so aus: Per Definition könne sich Andersartigkeit in Form von anderen Moralvorstellungen, Sprachen, sozialem Status oder Religion zeigen. In Rumänien begegnet er aber einer schwerer zu definierenden Andersartigkeit, die er auf eine, in Teilen des Landes, oft lange isolierte Lebensweise zurückführt.

Das ist der Hintergrund, das Bühnenbild, in welchem Björn Reinhardt seinen Roman den Lesern präsentiert. Dabei bildet die archaisch schöne Maramuresch, die im Norden Rumäniens gelegene Berglandschaft, mit ihren gastfreundlichen aber auch gewitzten Bewohnern eine der Zutaten zu den teils skurrilen und abenteuerlich anmuteten Geschichten, die uns Björn Reinhardt in seinem autobiographischen Roman präsentiert.
Es sind Geschichten, die mit einem „Augenzwinkern" aber auch mit einer universellen philosophischen Fragestellung über das Leben in seiner Einfachheit, aber auch über seine sich immer wieder bietenden Überraschungen zu tun haben.
Siebenbürgen, welches ein weiteres „,Bühnenbild" darstellt, einst als „Süße Heimat" empfunden, begeistert den Autor in einer Weise, dass eine fast schon magische Kraft auf den Leser übergeht. Die Hoffnungen der Menschen in Siebenbürgen, die der Autor anhand einiger Geschichten aus diesem vielfältigen und faszinierenden Lebensraum in Rumänien beschreibt, basieren auf der Zeit, bevor der Exodus der Siebenbürger Sachsen diese zunichte machte.
Man ist als Leser erstaunt, wie gut und wie nahe Björn Reinhardt den Menschen bei seinen Beobachtungen kommt. Wie sonst könnte er den Unterschied zwischen den Menschen in der Maramuresch und in Siebenbürgen damit beschreiben, dass er, der Unterschied, eigentlich darin besteht, dass in Siebenbürgen beide "Gastgeber" mit am Tisch sitzen, gemeinsam mit ihren Gästen. Ja und dass die Trinkgläser nicht randvoll geschüttet werden und trinken als Nötigung missverstanden wird.

Der Rezensent möchte nicht zu viel verraten zu diesem sehr gelungenen, tiefgründigen und auch humorvollen Buch. Aber doch neugierig machen: So sei hier noch auf die äußerst beeindruckende Erzählung über "Heimat", im
Roman aufbauend auf die Geschichte von Johann Hopprich, hingewiesen. Er, Hopprich, war, so lesen wir, der bescheiden daher kommende Kirchendiener von Neudorf, der den Kirchenschlüssel bewacht. Eingeladen war unser Erzähler zum Abendessen bei Johann Hopprich, dessen Tisch gedeckt war mit einem im eigenem Ofen gebackenen "Sachsenbrot", einem Streifen weißen Specks vom eigenen Schwein und einer gut gefüllten Glaskaraffe mit im Eichenfass gereiftem "Sachsenwein"! Nach dem einige Zeit an der reich gedeckten Tafel vergangen war, berichtete der Kirchendiener Johann, in seiner von überflüssigem Ballast befreiten Sprache, davon, was ihn bewegt. Der Schmerz über die Ausreise seiner Landsleute aus dem Land, welches die Vorfahren in mühevoller Arbeit geschaffen und verteidigt haben, beeindruckt den Leser nachhaltig. Die Begriffe Heimat und Sprache bekommen eine Erklärung, die authentischer nicht beschrieben werden können. Ich kann mit gutem Gewissen nur jede/n interessierte/n Leserin oder Leser dazu ermutigen, sich einzulassen auf „Unbequeme Schönheiten" und ihm/ihr versprechen, dass sie danach mit Spannung auf den zweiten Teil des Romans warten werden.

Lothar SCHELENZ

Anmerkung der Redaktion: Der Film zum Buch „Unbequeme Schönheiten" - liegt auch schon vor, dauert 77 Minuten und kann ebenfalls unter der E-Mail-Adresse weintal84@gmail.com bestellt werden. Der Autor schreibt dazu: "Dem Autor des Romans lagen die ,Zutaten' für seinen Film bereits auf dem Tisch, denn seit seiner Übersiedlung nach Rumänien 2001 begann auch seine Filmarbeit und der Aufbau des "Maramures-Filmarchivs".

https://www.hermannstaedter.ro/2021/07/unbequeme-schoenheiten/

"Eine Reise in die Seele der Maramuresch"
Björn Reinhardt mit Fotos und Geschichten aus der Maramuresch

Veröffentlicht: am Samstag, 20. Oktober 2018 in der "Siebenbürgischen Zeitung" und der "ADZ (Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien"

Nach dem blutigen Ende der kommunistischen Diktatur wurde Rumänien von Ereignissen heimgesucht, die gewisse Parallelen zu den biblischen Plagen haben: Erst der Exodus der Deutschen 1990/91, gefolgt von einer „Heuschreckenplage“, als die neuen politischen Eliten das Land auszusaugen begannen, bis hin schließlich zum zweiten Exodus, durch den das Land einen Großteil seiner Leistungsträger verlor, die ihr wirtschaftliches Überleben durch Arbeit im Westen sichern wollten. Insgesamt ein Aderlass, von dem Rumänien sich noch lange nicht erholt hat. Knapp 30 Jahre nach dem Tod der Ceau?escus gibt es dennoch viele Ansätze für Veränderungen zum Guten, man muss sich allerdings bemühen, sie zu entdecken. So gibt es zu der Schar der Auswandernden eine Gegenbewegung durch Rück- und Einwanderer. Zwar in geringer Zahl, zeigen gerade diese Menschen, dass man mit Phantasie und Leistungswillen einiges bewegen kann, auch oder gerade in einem Land, das unter dem Frühkapitalismus so sehr leidet. Björn Reinhardt ist einer jener „Einwanderer“, die die Liebe zu Rumänien, genauer gesagt zur Maramuresch, der Bergregion an der Grenze zur Ukraine, gepackt und nie wieder losgelassen hat. In Ostberlin geboren und aufgewachsen, hat der studierte Bühnen- und Kostümbildner Siebenbürgen schon als Kind auf Urlaubsreisen mit den Eltern kennengelernt. 2002 ist er in die Maramuresch gezogen, über die er inzwischen gut 30 Dokumentarfilme gedreht hat. Nun legt er im Schillerverlag Bonn-Hermannstadt sein Buch „Maramuresch – 101 Foto/Geschichten aus den Waldkarpaten Rumäniens“ vor. Bei den Dreharbeiten für seine Dokumentarfilme ist Reinhardt zahlreichen Menschen begegnet, er hat sie und ihre Schicksale kennengelernt und er hat sie porträtiert: in eindrucksvollen Schwarzweiß-Fotos, denen er je eine kurze Geschichte hinzufügt.

Reinhardts Maramuresch-Buch ist kein Reiseführer, vielmehr will uns der Autor zu den Menschen in dieser etwas abgelegenen und für viele unbekannten Region führen. Wer das Buch bis zur letzten Seite studiert hat, wird so viel über die Gegend und ihre Bewohner erfahren haben, wie aus kaum einem der „klassischen“ Reiseführer. Björn Reinhardts „Foto/Geschichten“ gewähren tiefe Einblicke in den Lebensraum und die Schicksale der Menschen, ohne jeden Anspruch darauf, das Leben im bergigen Norden Rumäniens zu beschreiben oder gar vollständig verständlich zu machen. Als nachdenklich, provokativ, tragisch, schön, herzzerreißend kann man seine Geschichten, seine Porträts charakterisieren, bar jeder plakativen Beliebigkeit. Einer flüchtigen Lektüre mögen sich die Tiefen von Reinhardts Porträts entziehen, wer sich aber darauf einlässt, das Zusammenspiel von Bildern und Texten zu verstehen, der wird sich unweigerlich tiefer zu dieser zeitlosen Landschaft und ihren Bewohnern hingezogen fühlen. Den Reigen der Bilder eröffnet ein Porträt von zwei Knaben, die vor einer sich in der Ferne verlierenden Bergkulisse Luftballons aufpusten, „als würden sie kleine Sommerwolken aufblasen und eine nach der anderen in den Himmel aufsteigen lassen“, wie Reinhardt das Bild kommentiert. Und er fährt fort: „Sentimentalität kommt zwischen diesen rauen Bergen so gut wie nicht auf. … Deshalb freuen sich Bergkinder auch deutlich mehr über kleine Überraschungen wie diese Luftballons als ihre Artgenossen in der Ebene. Sie spüren wohl frühzeitig, dass ihre Kindheit viel kürzer ausfallen und schneller zu Ende gehen wird, als ihnen gut tun würde. “Reinhardts Porträts bilden ein Kaleidoskop, der Reihung im Buch fehlt – sicherlich bewusst – jede Ordnung. Zufällig, wie die Begegnungen des Fotografen mit seinen Sujets gewesen sein dürften, treten sie uns entgegen, die unheldenhaften Helden einer rauen Wirklichkeit. Es scheint, als habe er jungen und alten Menschen den Vorzug gegeben, vielleicht eingedenk der Erkenntnis, dass dem Anfang und dem Ende des Lebens mehr Dramatik innewohnt als seiner Mitte. Die bereits erwähnten, Sommerwolken aufblasenden Knaben, das Mädchen, das die Arme um den geliebten Hund schmiegt, die junge Frau, Pferde am Zaum führend – viele der porträtierten Kinder gehören zum Volksstamm der Ruthenen, die er als „beinahe wie ausgesetzt wirkend“ bezeichnet, die „wie vergessen und nicht abgeholt auf ihren Bergen (stehen). Dem Himmel zum Greifen nah und zwischen den Wolken schwebend, werfen sie mit trotzigen Blicken, die längst keine Antwort mehr bekommen, wie mit Blitzen um sich.“ Reinhardts Kinderporträts stehen die vielen Porträts alter Menschen gegenüber mit ihrer archetypischen Ausstrahlung – der stoppelbärtige Alte etwa mit nur noch einem Zahn und halbblindem Blick, das von Falten zerfurchte Gesicht einer Greisin, das sich im Faltenwurf ihres großen schwarzen Kopftuchs fortzusetzen scheint, die beiden Alten, in deren Augen das Glück des gemeinsam Altern-Dürfens erstrahlt. Musiker hat er immer wieder beobachtet, Menschen bei der Arbeit, im Gespräch, beim Feiern. Und immer wieder den Tod, den die moderne westliche Zivilisation gern aus ihrem Blickfeld verdrängt. Ob es uns deswegen so scheint, als hätten Reinhardts Bilder auffällig oft mit dem Tod zu tun? Das trifft gewiss nicht zu. Jedoch will der Autor sicherlich mit seinen Porträts von Trauernden und Toten aus der Maramuresch daran erinnern, dass Geburt und Tod gleichermaßen zum Leben gehören. Wenn ich ein Wort suchen müsste, das alle Porträts, das alle Bilder und Texte kennzeichnet, so kann es nur dieses sein: Würde.

Nein, Björn Reinhardts Buch ist kein Reiseführer. Und man wird auch nur ganz vereinzelt auf Landschaftsaufnahmen treffen. Wer sich aber auf seine Porträts einlässt, wird sich hingezogen fühlen zu diesem Landstrich, wird ihn besuchen und seine Menschen kennenlernen wollen. Vielleicht wird der ein oder andere auch hängen bleiben, wie Reinhardt, der in dem Text zu einem Bild, das vom Nebel umwaberte ferne Hügellandschaft zeigt, Folgendes schreibt: „Wer nicht Acht gibt, wird sich ein Leben lang in ihrer Schönheit verlieren, ohne wirklich verloren zu gehen … Hundertfach wird er sich auf seiner Reise durch diese Landschaften verändert wiederfinden, in sich selbst auftauchen und auf wundersame Weise der geblieben sein, den zu ändern er einst gekommen war.“

Björn Reinhardt: „Maramuresch. 101 Foto/Geschichten aus den Waldkarpaten Rumäniens“. 202 Seiten, Hardcover, 22 Euro (90 Lei),

ISBN: 9783946954248, erhältlich auf www.schiller.ro
oder in jeder deutschen Buchhandlung.