Hier sehen Sie Standbilder aus dem Film

"DER KINDERBERG"

DVD-Coverumschlag
"Der Kinderberg"
Der Ruthene Stefan Cut stibt überraschend im Juli 2008. Im preisgekröntem Film „Obcina“, dem ersten Teil der Ruthenischen Trilogie begeisterte dieser stille aber intensive Böttcher die Zuschauer. Sein Leben hatte, wie Kenner des Films "Obcina" wissen, urplötzlich mit dem schweren Einschnitt, der Amputation vier seiner Finger, an Härte zugenommen. Die genaue Todesursache ist bisher unbekannt geblieben, aber es hat sicher auch mit der unerwartet traurigen Wende in seinem Leben zu tun. Um an Stefan zu erinnern, beginnt der Film mit einer Rückblende auf die ergreifende Beerdigung. Ich zeige die Aufbahrung seines Leichnams und den schmerzvóllen Abschied seiner Ehefrau Hafia und weiterer Bewohner sowie vieler Kinder Obcinas.

Das Foto in der Hand des Mädchens zeigt ein weiteres Opfer der harten Lebensbedingungen Obcinas. Dieser Familienvater starb an den schweren Folgen eines Unfalls mit seinem Pferd, dass ihn (er war beim Anzäumen ungünstig hängen geblieben), über 70 Meter hinter sich herriss. Dieses Mädchen wie alle Kinder dieser 10köpfigen Familie haben ihren Vater im Gedächtnis behalten, denn sie zeigen immer wieder sein Foto in die Kamera.

Nicolae ist der Enkelsohn von Hafia, der Witwe von Stefan Cut, einer mutigen Frau, die auch nach dem Tod ihres Mannes letzten Winter nicht vom Berg abgestiegen und ins Dorf gezogen war. Nicolae hält nun die Erinnerungen an seinen Großvater Stefan wach, spielt immer wieder in seiner sich selbst gebauten „Coliba“ (Hirtenhütte) auf der Flöte des Großvaters, die Stefan nach der Amputation selbst nicht mehr spielen konnte.
Nicolae ist sehr still, meist sitzt er abseits oder beschäftigt sich mit seinen Schafen. Leider ist er zu früh mit dem Rauchen in Kontakt gekommen. Wie auf dem linken Fotos zu sehen, versucht er mit einer Zigarette seine Ohrenschmerzen zu „heilen“.
Wenn es ums Essen geht - was selten genug geschieht - herrscht oft eine große Unruhe unter den Kindern.
Nicht nur, dass es zu wenig zum Essen gibt, es fehlen auch Teller und Töpfe, weswegen oft ein ziemlicher Kampf um die Esswerkzeuge ausbrechen kann.
Makaroni, Maisbrei und Milch sind die eintönigen Hauptnahrungsmittel, die den Kindern zur Verfügung stehen. Diese „Speisekarte“ wird nur im Sommer von abwechslungs- oder gar vitaminreicherer Kost wie Blaubeeren unterbrochen.

Im Film staunt der Zuschauer nicht schlecht, dass sich die Kinder ihr Essen selbst zubereiten und so gerecht wie eben möglich zuteilen müssen.
Eine berührende Szene ist die, in der der kleine Junge Gabi überraschend von seiner älteren Schwester Irina noch ein wenig Pudding mit Blaubeeren abbekommt. Wenn man sieht, wie er diese kleine Extraportion noch mit einem Nachbarkind teilt, bekommt man einen Eindruck von dem, was Teilen wirklich bedeutet.

Am Herd entzündet der zehnjährige Junge Adi ein Feuer, damit endlich der Heißhunger der Kinder mit einem Maisbrei gestillt werden kann. Vorher hat er in der Stube Brennholz gebrochen, während seine Schwester den angetrockneten Maisbreitopf reinigt. Beim Essen hört man nur die Blechnäpfe klappern, und man sieht eine kleine Rangelei um die heißbegehrten Löffel, von denen es viel zu wenige gibt.

Eine wahrhaft ergreifende Szene folgt dem improvisierten Essen. Die Kinder, immer noch ohne Eltern geblieben, beginnen zu beten. Nach den klappernden Blechtöpfen herrscht nun eine andächtige Stille im Zimmer. Jedes Kind spricht still sein Gebet vor sich hin, voll von Dank für das weißgott nicht gerade vom Himmel gefallene Essen.
Der kleine Gabi ist noch so jung, dass er kein Rumänisch versteht. Die Kinder lernen diese Sprache erst in der Schule, denn zu Hause wird nur Ruthenisch gesprochen. Sein intensives Wesen und seine kindliche Naivität geben dem Film ein besonderes Licht, denn es ist wirklich so, dass mit ihm buchstäblich die Sonne im Film aufgeht.

Seine stärkste Szene hat er dann ganz zum Ende des Films. Zwei Geschwister verlassen auf einem Pferd davonreitend für eine Nacht den Berg, um etwas zum Essen von unten hinaufzubringen. Gabi fühlt sich allein gelassen und beginnt Herz erweichend zu weinen. Ich folge ihm mit der Kamera und versuche, seine kindlichen Gefühle mit einprägsamen Bildern einzufangen.

So filme ich den uns allen bekannten, weil nicht nur kindlichen Schmerz von Verlassenheit und Einsamkeit, und finde ein einprägsames Bild, das mir im Film eine aufwühlende Schlusssequenz schafft: Gabi´s sich am Zaun festklammernde kindliche Hand und sein im Hintergrund aufwühlendes Schluchzen.

Handys haben sich in Obcina natürlich auch längst durchgesetzt. Allerdings können sie dort oben nicht geladen werden, und so reicht der Strom nur für ein oder zwei Tage Betriebszeit. Das Handy wird auch kaum zum Telefonieren benutzt, es dient eher als Musikplayer und Fotoapparat.

Irina spielt auf einer sehr schönen Maultrommel. In dieser Szene (rechtes Standbild), im Hintergrund zieht ein heftiges Gewitter hoch, hat ihr Spiel geradezu etwas beschwörendes.

Die kleine Maria muss noch nicht mitarbeiten. Sie hilft zwar schon hier und da, doch ihr werden wohl noch ein oder zwei Jahre Kindheit gegönnt. Marias Charakter ist noch völlig offen, denn sie beobachtet neugierig ihre Umwelt.

Die KInder vom Berg verbinden die nötigen und unumgänglichen Arbeiten wie Heumachen, Tierehüten und Essenbereiten immer auch mit Spiel und Spass. Ich habe im Film immer wieder Szenen eingefangen, die diese sich gegenseitig ergänzende Lebenskunst auch als Überlebenskunst verdeutlichen. Doch der wie schlechtes Wetter heraufziehende Ernst des Lebens blickt bereits hinter jeden Spiel durch, denn die Kindheit ist kurz in Obcina.

An dieser Stelle spielen die Kinder sehr gerne. Sie sitzen auf den Stangen, singen oder spielen auf ihren Maultrommeln und schauen immer mit der Hoffnung den Berg hinunter, dass etwas Abwechslung zu ihnen hinaufkommt. Deshalb habe ich den Film auch mit diesen Szenen beginnen lassen, denn das Warten und Schauen nach unten ist mir als etwas sehr typisches für ihr Leben aufgefallen.
Irina ist ein 15jähriges Mädchen. Seit Weihnachten hat sie einen Freund, und zwar einen Rumänen aus Bogdan Voda. Nur am Wochenende finden beide Ziet, sich zu sehen. Dann kommt er auf einem Pferd hinüber geritten, was zweieinhalb Stunden dauert.

In der Zwischenzeit versucht sie, neben all den Aufgaben die ihr die krankheitsbedingte Abwesenheit der Mutter aufbürdet, auch mit ihren geschwistern und Nachbarkindern Spass zu haben.

Tierlieb sind alle Kinder. Dabei stehen Schafe an erster Stelle, aber auch kleine Hasen werden gehalten, um mit ihnen zu spielen und zu schmusen. Die kleinen Kinder bauen sich aus Hölzern ganze Dörfer, Stallunegn und Gatter. Sie spiegeln auf ihre Weise die Erfahrungen, die sie in Obcina gemacht haben. Was kennen sie sonst von der welt ausser ihre einmalige Bergbauernwelt?

Obcina ist oft in Wolken getaucht. Wenn die Nebelschwaden nach einem Gewitter durch das Bergdorf ziehen, herrscht eine für die Waldkarpaten typisch gewordene gespenstige Stimmung.

Irina spielt neben ihrem Freund auf ihrer Maultrommel. Ihre Liebe zueinander ist groß, denn die Besuche müssen gut abgesprochen werden. Irinas Eltern brauchen die Tochter, um all die vielen Geschwister zu versorgen. So fürchten sie bereits ein zu frühes Zusammengehen und heiraten der Beiden und schauen argwöhnisch nach dem Jungen.

Es kommt zu ersten Auseinandersetzungen zwischen den Eltern und dem frisch verliebten Paar. Doch letztendlich setzen sich die Kinder durch, denn Irina ist ja noch ein Kind. Sie können das Pferd satteln und gemeinsam nach Poieni absteigen.

Der Ofen ist auch im Sommer jeden Tag im Gebrauch. Einerseits dient er zum Essenkochen und Wäschetrocknen aber auch wenn Abends die Kinder durchgeschwitzt nach Hause kommen, setzen sie sich gerne an den wärmenden Ofen.

Vor dem Haus sitzen alle gerne. Die Verschnaufpausen bieten gute Gelegenheit, den Nachbarn zuzuschauen oder familiäre Dinge zu besprechen. Irinas Vater erzählt hier zum Beispiel, dass die meisten Kinder auf dem Berg geboren wurden. So sind Irina und Alex kurz nacheinander auf dem Weg hinunter zum Krankenhaus geboren worden.

Nicolai hat sich allein diese Hirtenhütte gebaut. Hier schläft er auch Nachts, obwohl er Angst vor Wildschweinen oder herumstreuenden Wölfen hat. In seiner "coliba" befindet sich auch ein Herd, auf dem er sich bereits ein kleines essen gekocht hat.

Irina isst genüßlich eine Nutella-Schnitte. Die gabs für alle Kinder immer weider in den Drehpausen und waren heiß begehrt.

Wenigstens einmal in der Woche geht Nicolai hinunter ins Dorf um Essen zu holen. Dann schleppt er einen riesigen Rucksack hinauf, gefüllt mit Milch, Öl, Zucker und Bier für die Oma, wie er sagt.

Die Kinder tollen den ganzen Tag herum. Nie ist es ruhig und immer wieder hört man sie bei den verschiedenen Spielen, die auch andere Kinder kennen werden. Oder sie sitzen auf Bäumen und sammeln Wildkirschen oder essen die noch viel zu grünen wie kleinen Äpfel.
An einem verregnten Nachmittag bauen sich die Kinder aus Plastiksäcken Peitschen. Was friedlich begann wurde schnell zu einem Handgemenge, denn jeder will natürlich die besten Fasern zum Peitschenbauen ergattern. Es ist eine regelrechte Schlacht im Gange und die Stube muss eine Menge aushalten.

Das Foto rechts zeigt den kleinen Vasile wieder mit einem Pass des zu Tode gekommenen Vaters. Immer wieder hält er ein Photo von ihm in den Händen...

Wenn die Hasen aus den kleinen Ställen geholt werden kommt Freude auf. Sie dienen den Kindern als eine Art lebendiges Spielzeug und müssen viel aushalten. Immer wieder hauen sie ab und verstecken sich unter den Betten und hinter den Schränken. Dann wird, um sie zu finden, die Stube auf den Kopf gestellt.

Rechts spielt hafia auf einer Maultrommel und Ioan liegt, wie bereits im Film "Obcina" oft und zur allgemeinen Erheiterung der Zuschauer erlebt, auf dem Bett. Natürlich hat er wieder seine Gummistiefel verdreckt wie sie meist sind angelassen...

Das ist die beschriebene Szene, in der Gabi seine Blaubeeren teilt. Zuvor hat Irina in geduldiger und fleißiger Arbeit einen Eimer Blaubeeren gesammelt.

Irinas Freund kam nicht mit leeren Händen hinübergeritten. Seiner Liebsten hatte er eine tafel Schokolade mitgebracht, Maria, die jüngere Schwetser bekam Bonbons, die sie hier auf dem Foto einfordert, und der zukünftige Schwiegervater wurde mit zwei Dosen alkoholfreiem Bier beschwichtigt. Sein Konzept ist aufgegangen...

Eine ebenfalls interessante Szene im Film ist der Besuch der ehemaligen Bergschule. Dazu diente über viele Jahre ein kleines Zimmer, in dem vier Klassen mit zehn Schülern gleichzeitig von einem alten Lehrer unterrichtet wurden. Dieser hat, wie im Film anschaulich zu sehen sein wird, ein Geheimnis bereitet, um die Kinder unbeobachtet observieren zu können.

Maria beendet den Film mit ihrem lakonischen Komentar, später selbst nur zwei Kinder haben zu wollen. Auch ihre nach der Krankheit zurückgekehrte Mutter muss darüber lachen...